Quantcast
Channel: Europäische Union
Viewing all articles
Browse latest Browse all 1637

SPD-Fraktion: Wie autoritäre Regime die Freiheit im Netz unterdrücken

$
0
0

Um Menschenrechte im digitalen Raum geht es bei einer Veranstaltung der SPD-Bundestagsfraktion am Freitagmittag in Berlin. Mit zahlreichen Expert*innen diskutiert sie dieses Thema aus unterschiedlichen Perspektiven. „Es ist für die Demokratie von elementarer Bedeutung, wie sich der digitale Raum entwickelt“, macht die SPD-Vorsitzende Saskia Esken dabei gleich zu Beginn deutlich. In Ländern wie dem Iran gehöre die Unterdrückung von Menschen auch im digitalen Raum zum Alltag, sagt sie. Dabei sei der Schutz auf Privatsphäre sogar in der Allgemeinen Menschenrechtserklärung der UN verankert.

Esken fügt an: „Was heute im Iran passiert, geschieht morgen an ganz vielen Orten in der Welt.“ Autokratien seien weltweit auf dem Vormarsch. So würden bereits 70 Prozent der Weltbevölkerung autokratisch regiert. In sehr vielen Ländern der Welt gebe es keinen Zugang oder Teilhabe am digitalen Raum, sagt Esken. „Im Iran versagt das Mullah-Regime den Menschen den Zugang zu Plattformen und Messengern“, fügt sie an. Zugleich biete Anonymität oft genug auch Schutzmechanismen für Freiheitsbewegungen, Anwält*innen oder Aktivist*innen.

Esken: Zugang zu digitalen Strukturen als Menschenrecht

Zugleich gebe es eine staatliche Pflicht der digitalen Daseinsvorsorge. Der freie Zugang zu digitalen Strukturen sollte auch ein Menschenrecht sein, fordert Esken. „In Europa haben wir rechtlich eine einmalige Chance, wenn es um Menschenrechte im digitalen Raum geht. Wir können ein Vorbild für engagierte Menschen und Gruppierungen in aller Welt sein, die für diese Rechte kämpfen“, sagt sie. Mit Blick auf Russland sagt Esken auch: „Wir können auch beobachten, was Überwachung und Desinformation im digitalen Raum bewirken.“

Alexey Yusupov leitet das Russlandprogramm der Friedrich-Ebert-Stiftung. „Die Geschichte der Repression im Netz in der Russischen Föderation beginnt spätestens mit den Protesten beim Arabischen Frühling“, sagt er. Damals habe es im Zusammenhang mit der manipulierten Parlamentswahl zeitgleich auch Proteste in Russland gegeben, im Zuge derer die Regierung realisiert habe, welche Macht das Internet auch besitze. Bis dahin seien digitale Technologien in Russland weitgehend unreguliert gewesen.

Bots kommentieren Bots

Inzwischen gebe es Fake Accounts, die vor mehr als zehn Jahren angelegt wurden und gar nicht mehr als solche erkennbar seien. Da das Netz in Russland voll davon sei, habe man oft das Gefühl: „Das sind Bots, die Gespräche mit Bots führen, und das ist dann das Internet.“ Teilweise gebe es auch private Subunternehmer*innen, die den ganzen Tag nichts anderes machten als Leute im Internet auszuspähen. Daher nutzten zivilgesellschaftliche Gruppen zwar Messenger und soziale Netzwerke, seien dort jedoch deutlich subversiver und anonymer unterwegs.

Auf die Frage, welchen Effekt Sanktionen in Bezug auf den digitalen Raum in Russland haben könnten, reagiert Yusupov skeptisch: „Es gab Gedankenspiele, Apple sollte alle Endgeräte auf dem Gebiet der Russischen Föderation abschalten, aber mir wäre nicht klar, was der Vorteil wäre.“ Die Hoffnung bestehe stattdessen in der schrittweisen Mobilisierung breiter Bevölkerungsschichten. Diese könne Jahre dauern, habe jedoch durch Putins Teilmobilisierung durch den Ukraine-Krieg begonnen. „Eine offene digitale Grenze wäre das Beste, was wir machen können. Deswegen bin ich gegen umfassende technische Sanktionen. Das wäre nur Show“, sagt er.

Internet im Iran bei Protesten gedrosselt

Breite Gesellschaftsschichten sind im Iran bereits mobilisiert. Sie protestieren gegen das herrschende Mullah-Regime. Ali Fathollah-Nejad ist Politologe an der FU Berlin und hat sich mit den Protesten beschäftigt. „Saskia Esken hat in Bezug auf den Iran viel Wichtiges und Richtiges gesagt“, macht er deutlich und erläutert, dass es eine massive staatliche Medienzensur und staatliche Beeinflussung der Pressefreiheit im Land gebe. Das Internet habe daher in Bezug auf Proteste im Iran schon im Jahr 2009 eine große Rolle gespielt. „Das war der Zeitraum, in dem der Staat angefangen hat, umzudenken und das Internet als potenzielle Gefahr zu sehen“, sagt er.

Seitdem werde bei stärkeren Protesten immer wieder das Internet gedrosselt oder sogar komplett abgeschaltet. Die Iraner*innen nutzten sehr stark bei Instagram, Telegram und WhatsApp. Kanäle, die von Staats wegen illegalisiert seien, Dennoch seien staatliche Akteure dort präsent. Zum Thema Sanktionen berichtet Fathollah-Nejad, dass es Überlegungen seitens der USA gebe, Sanktionen in Bezug auf das Internet zu lockern. Daraufhin habe kurioserweise die iranische Regierung protestiert.

Menschenrechte im digitalen Raum
02. Dezember 2022
Jonas Jordan
Internet Russland
Bei einer Veranstaltung der SPD-Bundestagsfraktion diskutieren Expert*innen über Menschenrechte im digitalen Raum. In den Fokus gerät dabei das Vorgehen autoritärer Regime wie Russland, China oder Iran.

Viewing all articles
Browse latest Browse all 1637

Latest Images





Latest Images